Schlagwort-Archive: P-90
Gitarrenklassiker Teil 1: Die Gibson ES-335
Ted McCarty – Gibson’s Chef von 1950 bis 1966 – war kein “normaler” Firmenchef, der nur auf die Bilanz und das Marketing schielte. McCarty hatte zwei Abschlüsse, er war sowohl Betriebswirtschaftler als auch Ingenieur, und legte beim Gitarrendesign auch selbst gerne Hand an.
Das Jahr 1958 ist ein besonderes Jahr in der Geschichte der Firma Gibson; in diesem Jahr bekam die Les Paul ihre endgültige, klassische Form, und die Firma stellte ihre bahnbrechende Moderne-Serie (Flying V, Explorer) vor.
An der Moderne-Serie hatte McCarty selber aktiv mitgearbeitet, aber sein mit Abstand erfolgreichstes Design ist die halbakustische E-Gitarre. Die erste echte Halbakustische ist die im Jahr 1958 erschienene Gibson ES-335.
****
Ted McCartys Idee war es, die Vorteile der elektrischen Solidbodygitarren (wie der Les Paul) mit den Vorteilen von Gibsons flachen Thinline-Archtops (z. B. Byrdland) zu verbinden, und gleichzeitig die meisten der Nachteile beider Gitarrentypen möglichst zu minimieren.
Eine große, aber flache vollakustische Jazzgitarre trägt sich angenehm, aber sie koppelt auf der Bühne sehr schnell zurück. Eine Solidbody hat deutlich mehr Sustain, und einen klareren Klang, aber der Korpus ist klein und kantig, und oft auch schwer.
McCarty kam auf die Idee den Hals und die Brücke an einem massiven Ahornstück zu befestigen, dass einen sehr flachen Korpus aus gesperrtem Ahorn durchläuft. Im Grunde ist die ES-335 eine veredelte Version von Les Pauls (dem Musiker, nicht dem Gitarrenmodell) selbstgebauter Log-Gitarre.
Das Resultat ist eine der erfolgreichsten E-Gitarren, und eines der besten Gibson-Designs – die Gibson ES-335.
****
Die ersten 80 bis 100 Exemplare kamen 1958 noch mit uneingefasstem Griffbrett, und einem sehr flachen Halswinkel heraus (die Brücke lag praktisch auf der Decke auf).
Im Sommer ’58 hatte sich das Design aber in seinen Features gefestigt:
• fetter Mahagonihals (am 19. Bund eingeleimt)
• eingefasstes Palisander-Griffbrett mit Punkteinlagen (= Dot Neck)
• “Blumentopf” -Einlage in der Kopfplatte
• flacher, einfach eingefasster Ahornkorpus mit Mittelblock im Innern
• zwei Gibson-Humbucker
• Dreiwegschalter und vier Regler
• Tune-O-Matic-Brücke und Stopbar-Saitenhalter (seltener mit Bigsby-Vibrato)
Von 1958 bis 1960 war das Schlagbrett so lang, dass es bis zur Brücke reichte.
Die ES-335 war zuerst nur in braunem Sunburst oder in Natur erhältlich, wobei die “blonden” Gitarren deutlich seltener sind (Verhältnis ca. 1:5).
****
1960 gab es die ersten kosmetischen Änderungen an der Gibson ES-335:
Blonde wurde als Finish abgeschafft, und stattdessen wurde dem Sunburst ein nicht deckendes Kirschrot zu Seite gestellt. Außerdem wurde das Schlagbrett verkürzt, damit man leichter an den Tonabnehmer-Schalter kommt.
Zur gleichen Zeit fing man auch an mit der Form und der Wölbung der Korpushörner zu experimentieren:
Anfangs waren die Hörner sehr rund und stark gewölbt (= Mickey Mouse Ears), was zu Problemen in der Herstellung geführt hatte. Gerade die Wölbung verursachte oft Brüche im Sperrholz, und erschwerte auch das Lackieren und Polieren der Gitarre.
Mit der Zeit wurden die Hörner einen Hauch spitzer und mit weniger Wölbung gestaltet.
1960 wurde auch das Halsprofil in seiner Dicke etwas “entschärft”.
****
Die nächsten Änderungen gab es 1962:
• kleine Rechtecke ersetzten die punktförmigen Griffbretteinlagen (= Block Neck)
• die Brückenreiter wurden aus Nylon hergestellt
• die Potiknöpfe erhielten einen Metalldeckel mit Aufschrift (“Volume” oder “Tone”)
Zu dieser Zeit wurden auf der ES-335 auch Vibratos immer beliebter – entweder ein langes Bigsby (siehe Bild) oder Gibsons eigene Vibrola. Wenn die Löcher für den Saitenhalter schon gebohrt waren, hat man diese im Werk entweder mit einer gravierten Plastikplatte (“Custom Made”, siehe Bild) oder zwei runden Perlmuttscheiben abgedeckt.
****
Die schwerwiegendste Änderung am erfolgreichen Design wurde zum Jahreswechsel ’64 zu ’65 vorgenommen:
Der von der Les Paul -Serie übernommene Stopbar-Saitenhalter wurde durch ein für traditionelle Archtop-Gitarren typisches Trapez ersetzt.
Ob hinter der Änderung (nur) Gründe der Kostenersparnis oder auch (ernstzunehmende) klangliche Erwägungen standen, bleibt auch unter Experten weiterhin umstritten. Jedenfalls wurde durch das Trapez der Klang der ES-335 ein wenig weicher, jazziger.
Das Trapez blieb bis zum Jahr 1981 ein fester Bestandteil der ES-335.
Weitere Änderungen waren:
• ein schmalerer Hals am Sattel und ein deutlich dünneres Halsprofil (ab ca. 1966)
• ein flacherer Kopfplattenwinkel (1969-81) und eine Volute (1969-75)
• etwas größere F-Löcher (in den Siebzigern)
• Walnut (= nicht deckendes Dunkelbraun) als Farbvariante (in den Siebzigern)
• ein zweigeteilter Mittelblock mit einer Lücke zwischen den Tonabnehmern (ca. ’72-’77)
Seit 1982 orientiert sich die Standardversion der Gibson ES-335 an der 1960er Ausgabe des Modells – also: Punkteinlagen, runde Ohren, kurzes Schlagbrett, mitteldicker Hals. Es gibt aber auch Neuauflagen anderer Modellvarianten, z. B. Fat Neck – oder Block Neck -Versionen.
****
Die Gibson ES-335 hat auch drei bekannte Schwestermodelle.
Die (ursprünglich günstigere) ES-330:
Die Gibson ES-330 fällt etwas aus dem Rahmen, weil sie kein Halbakustik-, sondern ein elektrisches Vollakustikmodell ist. Der Korpus hat keinen Mittelblock, weshalb der Hals tiefer eingeleimt ist (am 16. Bund), und diese Gitarre auch immer einen Trapez-Saitenhalter (oder ein Vibrato) hat.
Wie alle günstigeren Gibsons in den Fünfzigern hat auch die ES-330 als Tonabnehmer keine brummunterdrückenden Humbucker, sondern fett klingende P-90-Einspuler.
Die ES-330 hatte zwischen 1959 und 1962 Punkteinlagen aus Perloid und Tonabnehmer-Deckel aus schwarzem Plastik. Ab Mitte ’62 gab es dann rechteckige Perloideinlagen, und am Ende des gleichen Jahres wurden Metalldeckel-TA eingeführt.
****
Die ES-345 – das Stereomodell:
Die ES-345 ist das nächst teurere Modell über der ES-335, was man an den aufwendigeren Griffbretteinlagen, der dreilagigen Korpuseinfassung (auf der Decke) und der vergoldeten Hardware sehen kann.
Die ES-345 hat zwei Besonderheiten in ihrer Elektronik: Diese Gitarre ist als Stereomodell konzipiert, man kann also mit einem Stereokabel beide Tonabnehmer einem jeweils eigenen Kanal/Verstärker zuleiten (wenn man das will). Oberhalb der Regler sitzt außerdem ein sogenannter Varitone-Schalter. Die passive Varitone-Schaltung erzeugt mithilfe zweier Spulen und einer Menge Kondensatoren fünf gefilterte, zusätzliche Klangvariationen.
****
Die ES-355 – das Luxusmodell:
Die ES-355 ist das teuerste Standardmodell dieser Baureihe:
• Ebenholzgriffbrett mit Perlmutteinlagen
• siebenfach eingefasste Kopfplatte und Korpusdecke (drei Lagen Korpusboden)
• Varitone-Schaltung (fast immer)
• stereo (fast immer)
• Vibrato (fast immer)
• vergoldete Metallteile
Die ES-355 kam anfangs mit einer langen Gibson Deluxe Vibrola, aber auch kurze Gibson Vibrolas und das furchtbare Sideways-Vibrato wurden in den Sechzigern benutzt. Am häufigsten findet man allerdings ein Bigsby Vibrato auf der ES-355.
****
Was ist mit Epiphone?
Die New Yorker Firma Epiphone wurde 1957 von Gibson aufgekauft, und alles verbleibende Inventar an Instrumenten und Maschinen nach Kalamazoo (Gibsons damaliger Sitz) transportiert.
Zwischen 1957 und 1970 wurden alle Epiphones in der Gibson-Fabrik hergestellt.
Ted McCarty und sein Team haben mit Epiphone ihre Händlerkette ausbauen können: Denn wenn es in einer Stadt schon einen Gibson-Stützpunkthändler gab, konnte ein zweites Musikgeschäft am Ort ein Epiphone-Stützpunkthändler werden.
Epiphone hat auch eine eigene Semiakustik-Serie im Programm gehabt, deren Modelle heutzutage in Korea und China unter Lizenz nachgebaut werden.
Die Epiphone-Modelle heißen:
Epiphone Casino (entspricht der Gibson ES-330) – eine der Beatles-Gitarren schlechthin.
Epiphone Riviera, eine ES-335 mit Minihumbuckern und Frequensator-Saitenhalter (s. Bild) oder Vibrato.
Epiphone Sheraton, eine Monoversion der ES-355 mit Minihumbuckern, Palisandergriffbrett (statt Ebenholz) und ohne Varitone. Die Sheraton hat entweder ein Vibrato (meistens Epiphones eigenes Tremotone-Design, s. Bild) oder einen Frequensator-Saitenhalter.
Die heutige Lizenzkopie hat meistens normale (=große) Humbucker, eine andere Kopfplatte und kein Vibrato.
Testbericht – Vuorensaku T-Style Custom
****
Vuorensaku ist eine Instrumentenmarke aus Jyväskylä in Finnland. Dahinter steckt Saku Vuori, ein gelernter Gitarrenbauer und Kunsthandwerker, der Gitarren (und Saiteninstrumente) aller Art baut. Vuorensaku stellt auch edle, handgewickelte Gitarrentonabanehmer her.
Vuorensaku steht für Customgitarren im ursprünglichen Sinn: Saku Vuori hat keine festen Modelle, sondern baut seine Instrumente nach den Wünschen und Bedürfnissen seiner Kunden.
Saku Vuori ist Mitglied im eingetragenen Verein The Guild of Finnish Luthiers.
****
Saku hat uns eine seiner neuesten Kreationen zum Test geschickt – eine super-coole Solidbody, die wie eine Mischung aus einer Fender Telecaster Deluxe (aus den Siebzigern) und einer Gibson ES-5 Switchmaster (aus den Fünfzigern) aussieht. Ich gebe dem Kind mal den Namen „Vuorensaku T-Style Custom“.
Die T-Style Custom ist aus traditionellen Tonhölzern gefertigt:
Der Schraubhals besteht aus kanadischem Ahorn, und hat ein schokoladenbraunes Palisandergriffbrett. Der (eingefasste) Korpus setzt sich aus zwei Teilen afrikanischem Mahagonis zusammen. Die (in der Mitte verlaufende) Leimfuge ist praktisch unsichtbar – saubere Arbeit, also!
Der Sattel der Vuorensaku ist aus echtem Elchknochen geschnitzt.
Das Griffbrett hat einen modernen Radius (9,5 Zoll) und ist mit 21 mittelgroßen Stahlbünden bestückt.
Die modernen Kluson Deluxe -Stimmmechaniken der T-Style Custom sehen zwar aus wie Vintage-Wirbel, funktionieren aber deutlich sahniger und genauer, als ihre Vorfahren aus den Fünfzigern.
Die traditionelle Fender-typische Halsbefestigung ist präzise ausgeführt.
Dank ihres dünnen Satinfinishs (Nitrolack) verbreitet die T-Style Custom mehr als nur einen Hauch von Luxus. Dies ist ein Instrument, welches man gerne in der Hand hat, gerne spielt, aber auch gerne einfach nur ansieht.
Klusons fantastische Half-Size Tele-Brücke ermöglicht es, die klassische Telecaster-Brücke auch auf anderen Instrumenten und/oder mit anderen Brückentonabnehmern einzusetzen.
Für viele Gitarristen ist die („uralte“) Drei-Reiter-Brücke mit den Messingreitern immer noch die am besten klingende Brücke aller Zeiten. Die Reiter sitzen übrigens absichtlich schräg zu den Intonationsschrauben, um ein einfacheres Einstellen der Oktavreinheit zu ermöglichen.
Vuorensakus Kunde wollte auf seiner Traum-E-Gitarre drei Tonabnehmer im Dog Ear -Look. Ein anderer finnischer Hersteller, Rautia Guitars aus Joensuu, stellt genau so ein Tonabnehmer-Set her.
Veijo Rautias Dog Ear -Set besteht aus zwei splitbaren Humbuckern (Hals- und Brückenposition), sowie einem P-90-Einspuler für die Mittelposition.
Die Kontrollplatte ist hier absichtlich „verkehrt herum“ angebaut, damit man beim Spielen leichter an den Lautstärkeregler kommt.
Saku Vuori hat es tatsächlich geschafft, alle Bauteile in der engen Vintage-Fräsung unter zu bringen!
Im Volumenpoti ist auch der Push/Pull-Schalter für den Humbucker-Split eingebaut. Der Fünfwegschalter funktioniert bei der Vuorensaku genau wie bei einer Strat. Wie man auf diesem Bild unschwer erkennen kann ist die Verarbeitung sehr sauber und die Qualität der Komponenten hoch.
****
Die Vuorensaku T-Style Custom ist ein Wahnsinnsteil! Sie ist äußerst sauber verarbeitet und spielt sich wie warme Butter. Handgemachte Edelinstrumente, wie diese T-Style Custom, haben immer dieses „gewisse Etwas“, mit dem die meisten massenproduzierten Gitarren einfach nicht aufwarten können.
Die T-Style Custom ist ein sehr leichtes Instrument. Mit einem schmalen und rutschigen Nylongurt lässt sich sogar ein Hauch von Zug am Gurt feststellen, aber ein ordentlicher Ledergurt hält diese Gitarre in perfekter Balance.
Das fette C-Profil dieses Vuorensaku-Halses ist voll nach meinem Geschmack! Der stimmige Mix aus fettem Hals, modernem Griffbrettradius und super abgerichteten Bünden lässt die Fingerchen nur so flitzen. Die Bespielbarkeit war mit einem 010er Satz perfekt (tiefes E: 2,1 mm/hohes e: 1.5 mm).
Unverstärkt kling die Vuorensaku T-Style Custom stark nach einer Vorzeige-Telecaster, was ja kein Wunder ist.
Über einen Verstärker gespielt, hat die Vuorensaku allerdings einen ganz persönlichen Sound, der vom Standard-Tele-Twang stark abweicht. Auch das ist nicht verwunderlich, denn die T-Style Custom hat ja ganz andere Tonabnehmer, sowie eine von der Tele abweichende Schaltung. Die drei Tonabnehmer, der Coil-Split und der Fünfwegschalter lassen einen aus sieben tollen Sounds aussuchen, die alle klanglich im Gebiet zwischen Fender und Gibson angesiedelt sind.
Einen ganz kleinen Kritikpunkt habe ich dann aber doch gefunden: Im Verhältnis zum Halshumbucker ist der Tonabnehmer an der Brücke ein wenig schwachbrüstig. Dies liegt aber nicht an einem Verarbeitungsfehler, sondern ist ein direktes Resultat der Dog Ear -Befestigung, welches einer Menge Gibson- und Epiphone-Usern bekannt sein dürfte. An einer Custom-Gitarre rumzumäkeln ist immer etwas riskant, denn es könnte ja sein, dass die Gitarre genau so bestellt worden ist. Trotzdem, wenn das meine Gitarre wäre, würde ich Saku bitten, den Brückentonabnehmer ein wenig (1,5-2 mm) zu unterfüttern, um ihn dichter an die Saiten zu bringen.
Klanglich überzeugt das Rautia Guitars Dog Ear -Set vollends. Die Humbucker sind keine ekligen Turbo-Tonabnehmer, sondern klingen dank ihres moderaten Outputs stets klar und sauber. Auch im Split-Modus machen die Rautia-Zweispuler eine sehr gute Figur. Sie mit einem herrlich ungehobelten P-90 zu kombinieren, ist ein Geniestreich!
Hier ist ein Audioclip mit den Humbuckern im Split-Modus (es geht mit dem Hals-TA los):
Hier ist ein ähnlicher Clip mit den „vollen“ Humbuckern:
Zum Abschluss noch die Tonspur vom You Tube -Video:
Mann, was für eine sagenhafte Gitarre! Die Vuorensaku T-Style Custom ist ein weiteres Beispiel für den hohen Standard der finnischen Gitarrenbaukunst. Schade, dass ich die Klampfe zurückgeben muss…
****
Vuorensaku T-Style Custom
Preisklasse ca. 2.500 – 3.000 €
Mein Dank geht auch an den Promoter des Rockkaamo Festivals, Jani Savolainen, für das Ausleihen seiner Gitarre!
Plus:
+ Made in Finland
+ handgefertigt
+ Verarbeitung
+ Bespielbarkeit
+ Sound
Minus:
– Lautstärkebalance Hals- und Brücken-TA (s. Text)