Testbericht: Harley Benton DC-60 Junior

Hier ein Gitarrendemo, welches auf dem Who-Klassiker „Baba O’Reilly“ basiert.
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• Alle Gitarrenspuren wurden mit der Harley Benton DC-60 Junior aufgenommen (Setup und Saiten im Werkszustand)
• Gitarrenverstärker: Bluetone Shadows Jr (handgebauter finnischer Kombo) & Juketone True Blood (chinesischer Point-to-Point Tweed Champ Klon)
• Es wurden keine Effektpedale benutzt
• Mikrofon: Shure SM57
• Audiointerface: Universal Audio Volt 2

„Preisgünstig, aber gut – gibt’s sowas wirklich?“ ist eine Frage, die wir Gitarristen uns im Zeitalter der Billiggitarren und Versandhausmarken immer öfter stellen. Auf dem Papier sehen viele dieser supergünstigen Instrumente zum Anbeißen verlockend aus, aber wird da mehr versprochen, als zu den Niedrigpreisen wirklich gehalten werden kann?

Ich bin ein großer P-90-Fan, und stehe besonders auf die Junior-Modelle aus den 1950ern und 60ern des Hauses Gibson. Also beschloss ich „ins tiefe Wasser zu springen“, und einfach die Harley Benton DC-60 Junior von Thomann zu bestellen, um Genaueres heraus zu finden.

Die DC-60 Junior ist Harley Bentons Kopie einer Gibson SG Junior (oder TV, wenn sie weiß ist) aus den frühen Sechzigern. Je nach gewähltem Finish kostet dieses Modell zwischen 160 und 200 Euro.

Diese Harley Benton hat einen eingeleimten Hals und einen Korpus aus philippinischem Meranti (ein Mahagoni-ähnliches Holz).

Der Korpus der DC-60 Junior ist ca. 4 mm dicker als der des Originals. Harley Benton hat die Hörner ihres Modells auch leicht gegenüber dem Original modifiziert, um „Ärger“ mit Gibson Guitars zu vermeiden. Die klassische Pelham Blue Metallic-Lackierung ist sehr sauber ausgeführt.

Das Griffbrett der DC-60 Junior ist aus Amaranth – auch als Purple Heart bekannt – gefertigt. Es wirkt ab Werk etwas trocken.

Die 22 mittelgroßen Bünde sind sauber eingesetzt und gut nachbearbeitet. Die Gitarre war direkt aus dem Paket gut bespielbar. Der Griffbrettradius ist mit 350 mm/14 Zoll sehr Bending-freundlich.

Auf der Wirbelplatte finden sich anständig funktionierende Wilkinson-Stimmmechaniken mit weißen Plastikknöpfen im Vintagestil.

Die Volute – also die Verdickung am Übergang von der Kopfplatte zum eigentliche Hals – ist ein Gibson-Merkmal aus den Siebzigern, welches einem Abbrechen der Kopfplatte bei kleineren Stürzen vorbeugen soll.

Die Harley Benton DC-60 Junior bietet ein sehr sinnvolles Update als Standard:

Originale SG Juniors kamen die ersten zwei Jahre mit unkompensierten Wraparound-Brücken, und danach mit Wraparounds mit kleinen Stüfchen, die die Oktavreinheit voreingestellt haben. Die Oktavreinheit kann bei solchen Brücken nur ungefähr eingestellt werden, in dem man die Schrägstellung der Brücke mit den eingelassen Madenschrauben verändert.

Die Brücke dieses Harley Benton Modells ist eine wertige WSC-Partsland-Kopie einer Leo Quan Badass Brücke, die in den 1970ern gerade für Gibson Junior und Special Modelle entwickelt worden ist. Eine Badass-Brücke kombiniert die Vorteile einer Wraparound-Brücke (direkte Saitenansprache) mit den einzelnen Saitenreitern einer Gibson Tune-o-matic.

Einige andere Tester beklagen sich im Internet, dass diese Badass-Kopie unbequem scharfkantig unter der Hand liegt. Mir persönlich gefällt diese Brücke sehr gut, und ich habe keine Probleme mit dem Dämpfen.

„Junior“ bedeutet in der Gibson-Nomenklatur eine Elektrogitarre mit nur einem P-90-Tonabnehmer in Brückennähe.

Bei der DC-60 Junior handelt es sich um einen Roswell P-90 auf Basis von Alnico V Magneten. Der P-90 ist ein breiter, aber flacher Einspuler, der generell einen fetteren Sound anbietet, als man es zum Beispiel von einem typischen Stratocaster-Tonabnehmer gewohnt ist.

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Der Hals der Harley Benton DC-60 Junior liegt schön rund und vergleichsweise fett in der Hand. Das Halsprofil würde ein Gibson-Fan mit „1959er Profil“ bezeichnen. Einige bevorzugen auf SGs (und ihren Kopien) etwas flachere Hälse, aber mir gefällt’s; und für den Klang und das Sustain ist ein dickerer Hals auch gut.

Die Bespielbarkeit der DC-60 Junior ist Dank der guten Bundierung und brauchbaren Werkseinstellung „schnell“ und bequem.

Ein Minus erhält diese Gitarre aber doch von mir:

Durch einen marginal größeren Halswinkel ist der Tonabnehmer doch sehr weit von den Saiten entfernt (s. Bild weiter oben), was zu einem sehr dünnen und vergleichsweise leisen Output führt.

Ich habe, nachdem ich die Bilder für diesen Test gemacht hatte, den P-90 mit speziellen Unterlegern – sogenannten Shims – um 3,5 mm angehoben. Man bekommt solche Dogear-Shims im Fachhandel (z. B. Thomann), und der Einbau ist auch für Laien sehr einfach:

Man lockert (oder entfernt) zuerst die Saiten. Danach schraubt man den Tonabnehmer samt Kappe ab. Der Tonabnehmer wird dann durch den (oder die) Shim-Unterleger hindurch „gefädelt“, und zum Schluss wird der ganze Packen wieder an die Gitarre geschraubt.

Zumindest bei meiner DC-60 Junior waren die Schrauben für den P-90 sehr kurz, weshalb ich nach dem „Hochlegen“ längere Schrauben gleicher Dicke benutzen musste.

Wir hatten durch Zufall im Musikladen, in dem ich arbeite, eine echte 1964er Gibson SG TV (also eine weiße „Junior“) für ca. eine Woche zum Verkauf. Von der Bespielbarkeit war das Original etwas anders als die Billigkopie, weil die TV ein niedrigeres Halsprofil und flachere Bünde hatte. Klanglich allerdings kamen sich das Original und die Billigklampfe erstaunlich nahe – Dynamik, Biss und Wärme in perfekter Balance.

Im Fall der Harley Benton DC-60 Junior scheint die Gleichung „billig = gut“ aufzugehen.

Für sehr wenig Geld bietet einem die DC-60 Junior erstaunlich viel vom echten Charakter einer Gibson SG Junior. Der Klang und die Bespielbarkeit dieser Harley Benton geht absolut in Ordnung. Super!

Testbericht – Marshall DSL5C

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Marshall DSL5C – close-up 1

Marshalls DSL5C-Combo ist das jüngste und kleinste Mitglied der DSL-Serie.

Die Ursprünge der DSL-Serie reichen bis ins Jahr 1997 zurück, als Marshall ihr (inzwischen legendäres) JCM2000 Dual Super Lead Topteil vorstellten. Der JCM2000 war der erste Marshall-Verstärker, der sowohl einen klassischen Plexi-Kanal, als auch einen modernen Ultra Gain -Kanal, in einem Paket anbot.

Die ursprüngliche DSL-Serie war bis 2007 in Produktion, und wurde danach von der JVM-Modellreihe abgelöst. Die neue, überarbeitete DSL-Serie bietet jetzt einen günstigen Einstieg in Vollröhrenamps, denn sie wird in Marshalls eigener Fabrik in Vietnam hergestellt.

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Marshall DSL5C – full front

Wie aus dem Namen unschwer ersichtlich ist, handelt es sich beim Marshall DSL5C (Preis in Finnland ca. 500 €) um einen zweikanaligen Comboverstärker mit fünf Watt Ausgangsleistung.

Was das Aussehen und die Verarbeitung angeht, handelt es sich bei diesem Kleinen tatsächlich um einen vollblütigen Marshall. Die Qualitätskontrolle in der vietnamesischen Fabrik muss genauso stringent sein, wie im britischen Haupthaus. Der DSL5C sieht klasse aus, und er wirkt sehr robust und vertrauenserweckend.

Marshall DSL5C – full back

Der DSL5C hat ein offenes Lautsprechergehäuse. Die obere Öffnung in der Rückwand ist mit einem Metallgitter abgesichert, damit man nicht versehentlich in die heißen Röhren greifen kann.

Marshall DSL5C – valves

Dieser kleine Marshall ist in der Vorstufe mit drei Röhren bestückt (ECC83/12AX7), während die Endstufe mit einer einzigen Röhre auskommt (ECC99/12BH7).

Marshall DSL5C – Celestion Ten 30

Der Lautsprecher des DSL5C-Combos ist ein Celestion Ten 30 mit zehn Zoll Durchmesser. Wir können uns also auf fette, warme Bässe und den legendären Celestion-Crunch mit gutem Biss gefasst machen.

Marshall DSL5C – angle 1

Dieser kompakte Combo wiegt nur knappe fünf Kilo – er lässt sich also leicht mit dem mit Gummi bezogenen Griff transportieren.

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Marshall DSL5C – front panel

Der Marshall DSL5C ist ein Vollröhrenteil mit zwei Kanälen:

Kanal 1 – genannt Classic Gain – ist im Sound und Gainverhalten dem legendären Marshall 1959 -Topteil nachempfunden. Der Classic-Kanal fängt mit frischen, perlenden Cleansounds an, und hört bei den klassischen Zerrsounds der Siebziger auf. Aber Vorsicht: Dieser Kanal hat keinen Mastervolumen-Regler, weshalb das Zerrsounds nur bei (relativ) hohen Lautstärken möglich sind – außer man bedient sich des Power Mode -Schalters (s. weiter unten im Text).

Der zweite Kanal – Ultra Gain – liefert einem das volle, moderne High Gain -Zerrbrett mit saftiger Kompression.

Beide Kanäle teilen sich den 3-Band EQ des Combos, was natürlich bedeutet, dass man einen leichte Kompromisse bei der Klangreglung eingehen muss. Glücklicherweise ist das Voicing der zwei Kanäle beim Marshall DSL5C schon so ausgerichtet, dass der gemeinsame EQ kein wirkliches Problem darstellt.

Wenn man den Tone Shift -Knopf hereindrückt, bekommt man einen in den Mitten ausgedünnten, etwas aggressiveren Sound, der ideal für zeitgemäße Metal-Stile ist. Der Deep-Knopf wiederum gibt dem Klangbild mehr Bässe, also einen fetteren Ton.

Marshall DSL5C – back panel

Auf der Rückseite des Combos befindet sich der Anschluss für den mitgelieferten Kanalschalter (s. unten), sowie die Effektschleife des DSL5Cs.

Ein klasse Bonus dieses kleinen Marshalls ist der eingebaute Direktausgang (mit Lautsprechersimulation), dessen genaue Funktion von der Stellung des Power Mode -Schalters abhängt:

Im Full Power -Modus liegt am Direktausgang ein Line-Pegel-Signal an, welches man direkt an ein Mischpult (oder anderes Recording-Equipment) anschließen kann. Bei Full Power bleibt der eigene Lautsprecher des Combos angeschaltet, auch wenn man einen Stecker in den Direktausgang gesteckt hat. Im Low Power -Modus (die Bedienungsanleitung spricht von einem halben, die Webseite von einem Watt Leistung) fällt der Pegel auf ein für Kopfhörer passendes Level. Wenn man Kopfhörer an den Combo anschließt, wird der Lautsprecher automatisch abgestellt. Der Aux-Eingang funktioniert nur bei Low Power, und sein Eingangssignal wird dem Kopfhörersignal zugefüttert.

Marshall footswitch

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Marshall DSL5C – close-up 2

Meiner Meinung nach ist der Marshall DSL5C ein fantastischer kleiner Rock- und Metal-Combo, der sowohl im Wohnzimmer, als auch im Studio, bei kleineren Proben, und als Backstage-Amp zum Aufwärmen eine sehr gute Figur macht.

Mein einziger, kleiner Kritikpunkt betrifft den Direktausgang des Testgeräts, welcher schon etwas stärker rauschte, als ich das von anderen, ähnlichen Verstärkern her gewöhnt bin. Glücklicherweise ließ sich das Rauschen zum allergrößten Teil bei der Aufnahme mit dem EQ des Sequencers weg regeln. Es ist auch möglich, dass der Direktausgang des Testgeräts vielleicht eine kleine Macke hatte.

Die beiden Kanäle des DSL5Cs bieten einem ein breites Spektrum an tollen Rock-, Metal- und Thrash-Sounds. Dabei hat der Power-Modus einen direkten Einfluss auf den Sound und vor allem die Gainstruktur der Klänge. Der Low Power -Modus senkt nämlich nicht nur den Lautstärkepegel, sondern lässt das Gitarrensignal auch viel früher komprimieren. Dies bedeutet, dass man mit dem Power Mode -Schalter zwischen sehr tighten (Full Power) und eher schmatzend-saftigen Sounds (Low Power) wählen kann.

Alle folgenden Klangbeispiele habe ich im Full Power -Modus aufgenommen, damit es einfacher ist den Mikrofonsound und das Lautsprecher-Modelling des Direktausgangs miteinander zu vergleichen.

Es geht los mit meiner (Maple Neck) Stratocaster und einer Clean-Einstellung im Classic-Kanal (aufgenommen mit einem Shure SM57):

…und hier ist der gleiche Clip mit dem Sound vom Direktausgang:

Weiter geht’s mit dem Classic-Kanal und dem Halshumbucker meiner Hamer USA Studio Custom (SM57):

…und hier das gleiche Stückchen per Direktausgang:

Hier hört ihr meine Strat und den Ultra-Kanal (Tone Shift: aus); aufgenommen mit dem SM57:

…und hier ist das Gegenstück aus dem Direktausgang:

Jetzt noch meine Hamer (in Drop-D-Stimmung) über den Ultra-Kanal (Tone Shift: an), und mit dem Mikrofon abgenommen:

…und als letztes die Direktversion:

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Marshall DSL5C – Hamer Studio Custom

Marshalls „knuddeliger und süßer“ DSL5C-Combo ist sowohl eine klasse Wahl als erster Röhrenamp („My First Marshall“), als auch ein Präzisionswerkzeug für solche Situationen, in denen eine große Ausgangsleistung ein echtes Problem darstellen würde (z. B. im Wohnzimmer oder im Projektstudio).

Der DSL5C ist ein waschechter, aber trotzdem sehr kompakter, Vollröhren-Marshall mit dem legendären Rock-Sound dieser Marke. Dank der Fertigung in Vietnam, ist das Preisschild sehr musikerfreundlich ausgefallen – toll!

Marshall DSL5C – angle 2

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Marshall DSL5C

Preis in Finnland z. Zt. ca. 500 €

Finnischer Vertrieb: EM Nordic

Herzlichen Dank an DLX Music Helsinki für das Bereitstellen des Testgerätes!

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Plus:

+ Preis-Leistungs-Verhältnis

+ Fertigungsqualität

+ Sound

+ Power Mode -Schalter

+ Direktausgang mit Lautsprechersimulation

+ Fußschalter im Preis inbegriffen

Minus:

– Direktausgang rauscht etwas (s. Testbericht)